Erste Beratung – Gesetz zur Änderung des Unterbringungsgesetzes und des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg

16.05.2013

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Unterbringungsgesetzes und des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg – Drucksache 15/3408

Abg. Florian Wahl SPD: Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren!

Auch ich möchte mich zunächst bei der Landesregierung bedanken, dass sie so schnell und praktisch als Erste nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 2011 jetzt die Neuregelung vorlegt. Ich möchte mich bei den Sozialpolitikern – auch denen von der Opposition – bedanken, dass wir in diesem Haus bei dieser grundlegenden Frage allgemein Konsens haben.

Denn es ist ja keine einfache Debatte. Sie wird außerhalb des Parlaments von verschiedenen Interessengruppen, die an uns alle herantreten, teilweise auch deutlich polarisierter geführt. Das hat die Debatte nicht leicht gemacht. Sicherlich ist es auch eine Debatte, die wir kontrovers führen müssen. Denn es geht um ganz massive Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Menschen.

Mit der vorliegenden guten Novellierung schaffen wir die rechtliche Grundlage und für die behandelnden Mediziner, das Pflegepersonal, die Menschen, die in der Psychiatrie tätig sind, eine Rechtssicherheit, die notwendig ist, damit sie ihren Job gut machen können.

Deswegen begrüßen auch wir von der SPD-Fraktion, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfindet. Das ist uns ganz wichtig. Wenn bei dem Patienten die Einsicht in die Krankheit und in die Behandlungsbedürftigkeit fehlt, kann es eine Gefahr für den Patienten und seine Umwelt sein, wenn nicht behandelt wird. Durch eine Zwangsbehandlung schaffen wir die Grundlage, dass danach wieder ein selbstbestimmtes Leben möglich ist.

Das Ganze ist praktisch wie eine Sicherheitslinie. Es ist ganz wichtig, dass wir diese „Brandmauer“, den Richtervorbehalt und die Sicherheit haben. Wichtig ist auch, dass sich die Menschen darauf verlassen können, dass das Ganze nicht so abläuft, wie es oft den Stereotypen von einer Psychiatrie von vielleicht vor 40, 50 Jahren entspricht, als der mündige Bürger oder der Patient eben rechtelos war. Genau deren Rechte wollen wir an dieser Stelle stärken.

Ich finde es auch gut, dass wir das jetzt sehr zügig gemacht haben. Kollege Lucha hat es schon gesagt: Ich glaube, wir haben mit der Entwicklung der Eckpunkte für das Psychisch- Kranken-Hilfe-Gesetz auch im Bereich Psychiatrie einen ganz wichtigen Schritt geleistet. Wir haben die betroffenen Gruppen umfassend beteiligt, was sich auch in den Eckpunkten zeigt. Das haben wir jetzt herausgelöst und praktisch noch in die alte Regelung genommen, bis dann die neue Regelung greift. Das war notwendig und richtig.

Ich möchte an dieser Stelle noch sagen: Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz wird auch dem alten Bild, das von der Psychiatrie teilweise noch herrscht – – Es ist noch einmal verankert, dass sie sich weiterentwickeln muss und vor Ort auch schon viel weiter ist.

Wesentlicher Inhalt sind der verpflichtende Ausbau der bestehenden Strukturen und die Einrichtung gemeindepsychiatrischer Verbünde in allen Stadt- und Landkreisen. Das brauchen wir flächendeckend im Land; momentan sind wir etwa bei 75 %. Für die SPDi’s haben wir gleich am Anfang – auch unter dem persönlichen Engagement von Manfred Lucha – die
Mittel verdoppelt und im Doppelhaushalt verstetigt.

Ich denke, dass wir durch dieses Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz eine noch bessere Verzahnung von ambulanten und stationären Angeboten erreichen. Ich möchte in diesem Rahmen von § 8 UBG auch ganz kurz ansprechen: Es ist, glaube ich, ganz wichtig, dass wir Anlaufstellen zum Schutz von Patientinnen und Patienten schaffen, dass Angehörigen- und Patientenrechte gestärkt werden, dass man vor Ort in den Kreisen unabhängige Stellen hat, die vorher beraten, die sagen, was ist, wenn jemandem eventuell Unrecht getan wurde oder jemand das Gefühl hat, dass ihm Unrecht getan wurde. Man muss dabei Rat und Hilfestellung erhalten.

Wichtig ist ferner, dass wir auch auf Landesebene eine unabhängige Ombudsstelle mit juristischer Kompetenz haben, dass wir Berufskommissionen als Kontrollinstanzen haben und dass wir – ich glaube, das ist auch für die Evaluation wichtig – zentrale, standardisierte und anonyme Melderegister gerade für diese freiheitsentziehenden Maßnahmen haben, um auch einen Überblick und eine Kontrolle zu haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich denke, das Bild vom Sicherheitsgurt, das Herr Lucha angeführt hat, ist gut.

Eine Zwangsbehandlung im Sinne von § 8 UBG muss die Ultima Ratio sein. Es kann Fälle geben, in denen sie notwendig ist. Auf der andere Seite stärken wir die Rechte der Patienten. Ich denke, wir haben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine gute Balance gefunden. Wir hoffen auf eine breite Zustimmung in diesem Haus.

Danke.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)