Förderung der Gedenkstätten zur Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus

Förderung der Gedenkstätten zur Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus in Baden-Württemberg – Drucksache 15/354

Abg. Florian Wahl SPD: Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich Frau Kollegin Helen Heberer entschuldigen, die leider aus gesundheitlichen Gründen nicht an der heutigen Debatte teilneh­men kann. Falls sie uns zuschaut, sende ich ihr auf diesem Weg die besten Wünsche für eine schnelle Genesung.

Meine Damen und Herren, wir alle sind uns einig über die Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur und die Bedeutung einer dauerhaften Auseinandersetzung mit den Verbre­chen des Nationalsozialismus. Das ist ein Thema, das uns alle in diesem Saal, alle demokratischen Kräfte und die Gesellschaft insgesamt angeht.

Ich bin dankbar, dass ich zu einem Antrag sprechen kann, der von allen Fraktionen in diesem Haus getragen wird. Sich mit den Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur auseinanderzusetzen heißt, zu gedenken und sich zu erinnern. Es bedeutet, die Menschen der heute lebenden Generationen darü­ber aufzuklären, was in diesem Land geschehen ist. Das sage ich als jemand, der knapp 40 Jahre nach dem Kriegsende ge­boren wurde, der weder den Nationalsozialismus noch die Nachkriegszeit erlebt hat, der auch den Kalten Krieg nicht mehr bewusst mitverfolgt hat und der die Geschichte unseres Landes nur aus den Geschichtsbüchern, aus familiären Erzäh­lungen, aus dem Fernsehen und aus dem Internet kennt.

Ich denke, gerade meiner Generation sowie den folgenden Generationen müssen wir darstellen, was hier, mitten in Deutsch­land, auch in Stuttgart und an allzu vielen anderen Orten, geschehen ist. Wir müssen daran erinnern, was Menschen getan und vielfach zugelassen haben: dass ganz normale, unbescholtene Bürgerinnen und Bürger das Unrecht nicht sehen konnten oder nicht sehen wollten, dass sie weggesehen haben – oft aus der Angst heraus, selbst zum Opfer zu werden. Vor allem aber bedeutet die Beschäftigung mit der NS-Diktatur, zu mah­nen, dass wir derartige Verbrechen niemals wieder zulassen dürfen, dass wir uns von Anfang an auch bereits im kleinsten Kreis gegen jede Form von Intoleranz und Hass wenden müssen. Das fängt schon mit einem kleinen rassistischen Witz am Stammtisch an.

Das ist keine Vergangenheitsbewältigung, sondern das ist eine Zukunftsaufgabe, immer wieder neu die Errungenschaft von Demokratie und Rechtsstaat zu verdeutlichen, denn dies ist trotz sechs Jahrzehnten des Friedens kein Naturgesetz.

An der Erfüllung dieser pädagogischen Aufgabe sind in Ba­den-Württemberg viele Akteure beteiligt: in Schulen, in Ver­einen und in gemeinnützigen Organisationen sowie schließ­lich auch über die Gedenkstätten im Land. Sie sind unver­zichtbar, um die Erinnerung wachzuhalten, eine Aufgabe, die immer wichtiger wird, je weniger Zeitzeugen von jener dunklen Ära der deutschen Geschichte selbst berichten können. Sie vermitteln Jahr für Jahr Hunderttausenden Besuchern, darunter zahlreichen Kindern und Jugendlichen, die Dimension des Unrechts. Sie verdeutlichen die Vielfalt der NS-Verbrechen, die wahnhaften Motive der Täter, die Allgegenwärtigkeit von Schauplätzen des Verbrechens, der schlimmen Tatorte, die die Geschichte kennt.

Auch hier im Landtag existiert ein Ort des Gedenkens. Genau hier auf diesem Stockwerk befindet sich ein Buch. Das ist zwar nur eine kleine Ecke da hinten, aber ich will Sie ermutigen – viele von Ihnen machen das –, diesem Ort auch mit den Schülergruppen und den Besuchergruppen immer wieder eine Minute zu widmen.

Ohne dieses Engagement können das Land und die Zivilgesellschaft dieser pädagogischen Verpflichtung nicht in ausrei­chendem Maß nachkommen. Deswegen fördern wir die Gedenkstätten als Orte des Erinnerns und des Lernens, aber auch als Orte der Versöhnung und der Überwindung von Hass. Das Land finanziert über das Sozialministerium, das Kultusministerium, die Landeszentrale für politische Bildung sowie die Baden-Württemberg Stiftung nicht nur den Unterhalt der Gedenkstätten und zeitlich begrenzte Projekte, sondern auch zahlreiche Studienfahrten von Schülern und Jugendgruppen. Gerade die Nutzung von Gedenkstätten als außerschulische Lernorte ist von größter Bedeutung, um junge Menschen in unserem Land für diese sehr ernsthafte Thematik zu sensibilisieren und die Erinnerung für die kommenden Generationen wachzuhalten.

Wir alle sind uns über die Zielsetzung in diesem Haus einig, doch wir wissen auch, dass es hierfür größerer finanzieller Aufwendungen bedarf, als sie in den vergangenen Jahren getätigt worden sind. Angesichts geringer Eigenmittel sind die Gedenkstätten maßgeblich von der Förderung des Landes und der Kommunen abhängig. Dieser Aufgabe sollten wir verantwortungsvoll nachkommen. Ich möchte an uns alle appellieren, diese enorm wichtige Funktion der Gedenkstätten gezielt und dauerhaft zu unterstützen.

Daher begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich, dass im Haushaltsplanentwurf eine Erhöhung der Fördermittel von 200 000 auf 300 000 € jährlich vorgesehen ist. Nicht jede Investition muss sich in ökonomischen Maßstäben auszahlen. Der ideelle Wert einer wachsamen und lebendigen Erinnerungskultur darf uns nicht zu teuer sein. Das stellen die Landtagsfraktionen und die Landesregierung hiermit unter Beweis.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord­neten der CDU und der FDP/DVP)