Sozialdemokraten wollen Mittelstand stärken

Zukunftsdialog der SPD zur Industriepolitik in Sindelfingen kommt gut an – IHK sorgt sich um Fachkräftemangel

Quelle: Kreiszeitung von Florian Lieb am 07.12.12

Wirtschaft, Gesellschaft und Politik wollte der Zukunftsdialog der SPD-Bundestags- fraktion zusammenbringen. Rund 35 Bürger(innen) fanden sich ein, um dem Gespräch über Industriepolitik mit dem SPD-Bundestagstagkandidaten Dr. Joachim Rücker, Ex-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und anderen zu lauschen.

SINDELFINGEN. Auch wenn der Mittwochabend im Sindelfinger Schubartsaal unter dem Motto der Sozialdemokraten stand, war die Regierungskoalition durchaus vertreten. Nicht nur, weil sie von den Vertretern der SPD für ihre Politik an den Pranger gestellt wurde, sondern auch, weil die gelben Gedecke auf den schwarzen Tischen neben den ebenfalls in schwarzgelb gehaltenen Stühlen ein kontrastreiches Bühnenbild für die Genossen boten. Geladen hatten sie zum Zukunftsdialog über die Industriepolitik in Deutschland, schließlich sei diese das Fundament für den wirtschaftlichen Erfolg.

Prominentester Gast in der illustren Runde war dabei der Ex-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Gemeinsam mit Sindelfingens ehemaligem Oberbürgermeister Dr. Joachim Rücker, der SPD-Bundestagskandidat für die Wahl im September 2013 ist, dem SPD-Bundestagsmitglied Rainer Arnold sowie dem Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Andreas Richter, und der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der IBM Deutschland Research & Development GmbH, Ulrike Wicke, äußerte er seine Meinung zum zukünftigen Vorgehen in Sachen Industrie aus. Ein echter Dialog wollte sich dabei jedoch selten einstellen, vielmehr galt es für die Teilnehmer, abwechselnd zu Fragen und Äußerungen der anderen Anwesenden Stellung zu nehmen.

In den Fokus rückte dabei vor allem die Bedeutung des Mittelstandes. Bundestagsmitglied Rainer Arnold hatte zuvor gelobt, „dass es in der Krise gut war, manchen Ratschlägen nicht zu folgen“. Es sei entscheidend gewesen, dass auf die industrielle Produktion gesetzt wurde. „Wir müssen dieses starke industrielle Rückgrat wahren und den Mittelstand stärken“, befand Arnold. Zustimmung erhielt er dabei von Genosse und Kollege Tiefensee. „Es geht letztlich nur um die Wertschöpfungskette“, sagte Tiefensee hinsichtlich der Verschränkung von Industrie und Mittelstand. Er versprach aber, dass es vonseiten der SPD für die Bundestagswahl 2013 kein Konzept gebe, dass dem Mittelstand Schaden zufügen könnte.

Schaden befürchten derweil die 158 000 von der IHK vertretenen Betriebe von der Steuerpolitik der Oppositionspartei. „Was den Unternehmen überhaupt nicht gefällt, sind die Steuerpläne der SPD“, bestätigte Andreas Richter. Das meiste Kopfzerbrechen bereite den Unternehmen aber der Fachkräftemangel und der Bedarf an 300 000 Mitarbeitern. „Das ist momentan die Sorge Nummer eins“, so der IHK-Geschäftsführer. Ginge es nach Rainer Arnold, wäre hier schon geholfen, wenn sich die Unternehmen nicht nur auf Ingenieure versteifen, sondern sich auch mit Facharbeitern begnügen würden. Diese könnten die gesuchten Stellen oft genauso gut ausfüllen.

„Ich denke, wir müssen das unbedingt fortführen“

Derweil wollte Wolfgang Tiefensee die Steuerbedenken der Unternehmen zerstreuen. In Deutschland war das Vermögen zuletzt von vier auf zehn Billionen Euro angestiegen, daher müsse die Regierung Geld generieren – allerdings „ohne den Ast abzusägen, auf dem wir sitzen“. Laut Tiefensee „dürfen wir gerade nicht das Betriebsvermögen angreifen“. Wichtiger waren für den ehemaligen Minister ohnehin andere Themen wie die Schaffung eines Trennbankensystems („Das ist unsere unmittelbare Aufgabe“), die Abkehr von der Finanzwirtschaft („Wir müssen hin zur Realwirtschaft“), die verstärkte Einbindung von Frauen in den Arbeitsprozess („So einen Unfug wie Betreuungsgeld muss man abschaffen“) oder auch die Infrastruktur. „Wir fahren hier auf Verschleiß“, kritisierte Tiefensee und erhielt Zustimmung von Rainer Arnold und Andreas Richter.

Angesprochen wurde auch die Forderung der SPD nach flächendeckenden Mindestlöhnen und gleicher Bezahlung der Frau, Datenschutzfragen in Bezug auf die fortschreitende Globalisierung speziell in der IT-Industrie sowie das 2000 von der SPD initiierte Erneuerbare-Energien-Gesetz. Letztlich zeigten sich alle Beteiligten zufrieden mit dem Zukunftsdialog der SPD. „Ich denke, wir müssen das unbedingt fortführen“, regte aus dem Publikum Rolf Scherer an, der seit 30 Jahren für Daimler arbeitet. Auch Andreas Richter lobte die Veranstaltung, war sie doch die erste zur Industriepolitik, zu der er in den 14 Jahren seiner IHK-Geschäftsführung eingeladen wurde.

„Der SPD war immer wichtig, nicht nur zu reden“, schloss Joachim Rücker, „sondern die Dinge dann auch umzusetzen“. Ob die Sozialdemokraten und er selbst dazu allerdings eine Chance haben werden, wird sich bei der Bundestagswahl im Herbst des kommenden Jahres zeigen.