Grußwort zur Geburtstagsfeier 40-Jahre Initiativgruppe Homosexualität

15.06.2013

Grußwort zur Geburtstagsfeier 40-Jahre Initiativgruppe Homosexualität

(Es gilt das gesprochene Wort)

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ganz herzlichen Dank für die Einladung zum 40jährigen Jubiläum der Initiativgruppe Homosexualität in Stuttgart.

Das ist zunächst einmal ein guter Grund zum Feiern für alle, die für gleiche Rechte und gesellschaftliche Anerkennung von Homosexuellen kämpfen, denn die Stuttgarter Initiativgruppe ist bekanntermaßen die älteste durchgehend aktive Homosexuellenorganisation. Und ich möchte ausdrücklich sagen, dass es auch ihrem hartnäckigen Einsatz und dem vergleichbarer Organisationen zu verdanken ist, dass Homosexuelle heute wesentlich mehr Respekt erfahren, als noch vor wenigen Jahren.

Insbesondere freut es mich als Sozialdemokraten ganz besonders, heute bei Ihnen ein Grußwort sprechen zu dürfen. Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass auch wir in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum feiern können.

Die Sozialdemokratie feiert ihr 150jähriges Bestehen, und neben dem runden Geburtstag haben wir und Ihre Initiativgruppe noch weitere Gemeinsamkeiten. Unser gemeinsames Ziel war immer der Einsatz für Menschen, die Benachteiligung und Unterdrückung erfuhren.

Mit diesem Kampf für die Emanzipation haben wir uns oft genug gegen die Autoritäten in Staat und Kirche und gegen eine vermeintliche bürgerliche Moral zur Wehr gesetzt – und wir können heute feststellen, dass wir vieles erreichen konnten.

Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft steuerlich mit der Ehe gleichgestellt, und ich bin überzeugt, dass wir das auch beim Adoptionsrecht homosexueller Paare hinkriegen.

Das alles ist nur denkbar, weil unsere Gesellschaft moderner und aufgeschlossener geworden ist. Das war nicht immer so, wie wir alle wissen. Der berüchtigte StGB-Paragraph 175 stellte ab 1872 sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe und wurde unter den Nationalsozialisten noch verschärft. Und diese Gesetzgebung galt während der ersten zwei Jahrzehnte der Bundesrepublik. Die Diskriminierung Homosexueller gehörte in der Zeit des motorisierten Biedermeier, wie Erich Kästner die Adenauer-Zeit treffend nannte, noch zum guten Ton in der Gesellschaft.

Erst 1969, als es zu einem echten Machtwechsel in Bonn kam, wurde die seit 1935 gültige Rechtslage reformiert. Es war die Zeit eines echten gesellschaftlichen Aufbruchs, die Zeit, in der auch ihre Organisation gegründet wurde. Und dennoch war seit dem ein weiter und steiniger Weg, denn es galt nicht nur für rechtliche Gleichstellung zu kämpfen, sondern auch den tief sitzenden Vorurteilen gegenüber Homosexuellen zu begegnen.

Manche Vertreter meines Berufsstandes haben das bis heute nicht begriffen und pflegen nach wie vor eine nur mühsam versteckte Intoleranz gegenüber Schwulen und Lesben.

Das gibt es Leute wie den Herrn Mappus, der den Christopher-Street-Day als abstoßend bezeichnet.

Da gibt es diesen CSU-Generalsekretär Dobrindt, und das lassen sie sich jetzt bitte auf der Zunge zergehen: „Die Union als Volkspartei hat die Aufgabe, der stillen Mehrheit eine Stimme zu geben gegen eine schrille Minderheit“.

Der Bundestagsabgeordnete Norbert Geis nennt Homosexualität die „Perversion der Sexualität“.

Und ich könnte diese Liste fortsetzen, aber das ist dem schönen Rahmen dieses Tages nicht würdig.

Homophobie ist für mich und für die gesamte grün-rote Koalition nicht tragbar, und deswegen haben wir Toleranz und Gleichstellung für alle sexuellen Identitäten zu einem Schwerpunkt unserer Regierungsarbeit gemacht.

Wir haben von Anfang an deutlich gemacht: wo das Landesrecht zuständig ist, werden wir eingetragene Lebenspartnerschaften vollständig mit der Ehe gleichstellen.

Wir haben im Beamtenrecht rückwirkend die Gleichstellung von homosexuellen Paaren bei Besoldung und Versorgung durchgesetzt.

Wir haben dafür gesorgt, dass Lesben und Schwule genauso feierlich auf dem Standesamt heiraten können, und nicht länger in der KFZ-Zulassungsstelle!

Die Landesregierung erstellt einen Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung, um die Akzeptanz gegenüber sexueller Vielfalt zu stärken und dazu beizutragen, dass weiter Vorurteile abgebaut werden. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass die Regierung ein umfassendes, ein ressortübergreifendes Konzept für Toleranz und Gleichstellung vorlegen und gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partnern umsetzen wird.

Wir kämpfen dafür, das Thema Diversity in den Bildungsplan aufzunehmen.

Hier geht es aber nicht nur um einzelne Maßnahmen, sondern um eine neue politische Kultur.

Das hat auch der Empfang des Ministerpräsidenten zum Christopher-Street-Day in der Villa Reitzenstein gezeigt, der in der Community hohe Wertschätzung fand und als gewisse Genugtuung für jahrzehntelanges Engagement empfunden wurde.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir meinen es ernst mit einer echten Gleichstellung. Dennoch ist mir klar: keine Politik ist so gut, dass man sie nicht noch besser machen könnte. In diesem Sinne möchte ich sie herzlich auffordern. Mischen Sie sich ein, melden Sie sich zu Wort! In dieser grün-roten Landesregierung haben Sie eine Ansprechpartnerin, die Ihre Anliegen ernst nimmt.

Für heute möchte ich es dabei belassen, denn nicht die Politik, sondern die vielen aktiven Ihrer Initiativgruppe stehen heute im Mittelpunkt. Ihnen allen möchte ich von Herzen einen fröhlichen Festakt wünschen und vor allem viel Kraft für ihr Engagement!