(Stuttgarter Zeitung – 17.03.2013)
von Gerlinde Wicke-NaberIch halte nichts davon, da eine falsche Ehrfurcht hineinzubringen. Wenn mich jetzt jemand konsequent als Herr Landtagsabgeordneter ansprechen würde, dann würde ich doch mit der Zeit etwas skeptisch werden. Ich definiere mich als Mensch, mein Job ist die Politik, und meine Leidenschaft ist die Politik. Aber letztlich bin ich immer noch der Flo.
Ich glaube nicht, dass ich mich verändert habe. Ich habe aber gelernt, dass ich in meiner Position, mit dem, was ich sage, viel mehr anrichten kann als früher. Das führt dazu, dass man vielleicht vorsichtiger formuliert. Und es gibt bestimmte Erwartungen an mich, zum Beispiel, was die Kleidung angeht. Da versuche ich mich anzupassen. Aber der Anzug und die Krawatte sind für mich Arbeitskleidung. Das, womit ich meine Aufmüpfigkeit behaupten will, hat nichts mit meiner Kleidung zu tun.
Ich habe den gleichenAnschluss wie alle anderen Leute, die tagsüber arbeiten und sich abends im Ehrenamt engagieren.
Ich arbeite jeden Tag dafür, dass es nicht auf 15 Stimmen hin oder her ankommt. Ich versuche, den Nachweis zu erbringen, dass ich jemand bin, dem man sich anvertrauen kann, der die Interessen des Wahlkreises vertritt und der es schafft, Themen in Stuttgart zu setzen. Ich möchte das nächste Mal eine stärkere Legitimation als 15 Stimmen über den Durst.
Ich habe für mich die Perspektive, so zehn oder 15 Jahre sind gut für ein politisches Mandat. Wenn man zu lange drin ist und den Blick verliert, dann ist es nicht mehr das Richtige. Politik lebt davon, dass es einen Einstieg gibt. Und wenn man den so früh schafft wie ich, dann muss es auch die Möglichkeit eines Ausstiegs geben.
Darüber mache ich mir momentan keine Gedanken. Ich will ja wieder antreten. Aber in zehn Jahren bin ich 38, und noch jung genug, etwas Neues zu beginnen.
Ich habe es im ersten Jahr drei Tage geschafft, dabei zu sein. Im vergangenen Jahr klappte es leider nicht. Für dieses Jahr habe ich wieder meine Bereitschaft signalisiert – wenn die mich wollen Allerdings will ich auch keinem 16-jährigen Ersthelfer den Platz wegnehmen.
Damit haben wir angefangen. Ich gehe in die Schulen im Wahlkreis und mache die Schüler zu Politikberatern. Zum Beispiel erarbeitet gerade eine Klasse für mich Vorschläge zum Thema „Wahlalter mit 16“.
Ja, das denke ich schon. Man steht aber unter verschärfter Beobachtung. Wenn ein älterer Kollege zu spät zur Sitzung kommt, ist das etwas anderes, als wenn ich zu spät komme. Dann heißt es gleich: Hast Du wieder zu lange gefeiert?
Ja, sicher so zehn Stück.
Eigentlich auf keine. Ich habe da immer noch Bammel vor jeder Rede.
Ja, manchmal kann ich mich nicht zurückhalten. Aber ich weiß auch, wie es ist, wenn man da vorne steht und der ganze Oppositionsblock schreit. Da fühlt man sich wie im Windkanal. Es gibt einen Kollegen einer anderen Fraktion, der ist berüchtigt für seine üblen Zwischenrufe.
Wir stehen im ständigen Kontakt. Da geht es aber mehr um den sozialen Austausch, als um Politik. Wir sprechen über unsere Erfahrungen als Junge im Politikbetrieb.
Wir haben eine positive Dynamik in die Bildungspolitik gebracht: die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft, die Gemeinschaftsschule eingeführt. Wir haben viel Geld, so viel wie noch nie, in den Ausbau der Betreuung für Unter-Dreijährige gepumpt – da bekommen wir auch viel Lob von Bürgermeistern aller Couleur, wir haben die Studiengebühren abgeschafft, und vieles mehr. Vor allem aber ist unser Politikstil ein anderer. Und ich glaube, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Politik bekommen.
Nicht nur. Die ganze Beteiligungsgeschichte geht zum großen Teil auf unser Konto. So war die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 eine Idee von Nils Schmid. Und wir schalten allen neuen Gesetzen eine Beteiligung der Betroffenen vor.
Ich denke, der größte Erfolg ist, dass wir die Finanzierung der Nordumfahrung Darmsheim sicher gestellt haben, auch wenn der Bau momentan nicht so schnell voran geht, wie wir es gerne hätten. Ein anderer Erfolg ist, dass der Ausbau der B 464 auf die Prioritätenliste des Bundes angemeldet wurde. Da haben wir viel Druck gemacht. Sechs Gemeinschaftsschulen im Kreis sind ebenfalls ein großer Erfolg. Dass Böblingen so gut bei der Polizeireform weggekommen ist, liegt schon auch daran, dass ich mich dafür eingesetzt habe.
Ich denke, dass Böblingen eher der große Gewinner der Reform ist. Wir bekommen ein Präsidium für Fortbildung, in dem jährlich viele tausend Leute weitergebildet werden. Da haben wir doch als Stadt noch mehr davon als von der jetzigen Bereitschaftspolizei. Die Leute gehen hier einkaufen, ins Café, aufs Flugfeld, lernen Böblingen kennen. Das ist doch eine riesige Chance für die Stadt.
Eine Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass vieles sehr lange dauert. Das ist leider so in der Politik. Da bin ich dann oft zu ungeduldig.