Die Menschen am Umbau mitbeteiligen – Interview von Florian Wahl MdL mit Kreiszeitung/Böblinger Bote

(Quelle: Kreiszeitung/Böblinger Bote vom 21.12.2013)

Kliniken: SPD-Kreisrat Florian Wahl fordert einen Bürgerentscheid, wenn die medizinische Versorgung im Landkreis reformiert wird.

Flo_KRZSchulden, überkommene Strukturen und Sanierungsstau: Die Kliniken im Kreis stehen mit dem Rücken zur Wand. Eine neue Konzeption und ein neues Krankenhaus sollen den Ausweg aus der Misere leisten. Der Böblinger Kreisrat Florian Wahl möchte die Bürger über diesen Prozess abstimmen lassen.

Von Michael Stürm

KREIS BÖBLINGEN. Im Interview erklärt der SPD-Mann, warum er die Weichenstellung im Klinikbereich nicht den Politikern überlassen möchte.

Sie wollen die Bürger über die medizinische Versorgung im Landkreis und damit auch über die Zukunft der hier bestehenden Kliniken abstimmen lassen. Warum?

Weil die Frage, wohin sich die medizinische Versorgung der Bürger im Landkreis entwickelt, eines der wichtigsten Themen markiert, die uns in der nächsten Zeit im Kreis Böblingen bewegen werden. Am Ende geht es dabei um die Entscheidung, ob die Privatisierung der Krankenhäuser verhindert werden kann oder das kostbare Gut der öffentlich-rechtlichen Kliniken erhalten werden soll. Das ist eine grundsätzliche Frage, die die Bürger entscheiden müssen. Deshalb braucht eine Neuformierung der Kliniklandschaft die Akzeptanz der Menschen, die hier leben. Die erhält man nur, indem man die Bürger unmittelbar und frühzeitig in die Entscheidungsfindung einbezieht und nicht nur informiert.

Wie könnte eine solche Mitbestimmung aussehen?

Ich stelle mir einen Bürgerbeteiligungsprozess vor, an dessen Ende ein Bürgerentscheid steht. Optimal wäre hierfür der 25. Mai, an dem auch die Kommunalparlamente gewählt werden.

Dann wäre ein Wahlkampfthema gesetzt.

Ja. Das sehe ich positiv. Dadurch würden die neu gewählten Kreisräte mit einem konkreten Arbeitsauftrag vom Bürger versehen. Dies würde natürlich nur funktionieren, wenn die Kreistagsfraktionen sich vorher verpflichten, das Votum zu akzeptieren. Denn momentan ist in der Landkreisordnung noch kein verbindlicher Bürgerentscheid vorgesehen. Das wäre jedoch nur eine Frage der rechtlichen Verfahrensweise.

Taugt ein solch komplexes Thema überhaupt für eine Abstimmung durch das Volk? Besteht da nicht die Gefahr, dass mangelnde Kenntnisse und Emotionen das Ergebnis prägen werden?

Nein, das glaube ich nicht. Wir unterschätzen die Bürger häufig in ihrer Urteilskraft. Das beste Beispiel ist Stuttgart 21. Da hat das Ergebnis des Bürgerentscheids auch die veröffentliche Meinung nicht widergespiegelt.

Wie möchten Sie die für eine Einschätzung dieser schwierigen Materie wichtigen Informationen und Hintergründe den Menschen vermitteln?

Intensive Information im Vorfeld ist hierbei eine ganz wichtige Sache. Sonst haben die Menschen zurecht große Vorbehalte und wittern die Geschichte hinter der Geschichte. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen. Ich denke da an Bürgerforen, Diskussionsplattformen und Arbeitsgruppen, die von externen Experten moderiert und betreut werden müssten. Man braucht hierfür das Rad nicht neu erfinden. Wichtig ist, dass die Informationen im Beteiligungsprozess so weitreichend sind, dass nachher niemand vor der Entscheidung der Bürger Angst haben muss. Das bringt natürlich viel Arbeit mit sich und ist anstrengend. Aber das ist nun mal Wesen der Demokratie.

Ein idealistischer Ansatz, der letztendendes an leeren Rängen scheitern könnte?

Nein. Die Blaupause liefert uns der Landkreis Calw, der die Veränderungen in seinen Kliniken auf diese Weise gerade mit den Bürgern diskutiert. Dort ist die Resonanz sehr positiv. Die vor kurzem stattgefundenen Infoveranstaltungen in Herrenberg und Leonberg zu dem medizinischen Gutachten, das zur zukünftigen Ausrichtung des Klinikverbundes erstellt wurde, haben gezeigt, dass dieses Thema die Menschen auch hier im Landkreis emotional umtreibt.

Hätte ein Bürgerentscheid auch Auswirkungen auf den Standort der geplanten Gemeinschaftsklinik Böblingen-Sindelfingen auf dem Flugfeld?

Nicht direkt. Denn wenn dort gebaut werden soll, ist die Frage des Grundstücks und des Preises vor allem eine Sache der Städte Böblingen und Sindelfingen. Diese Entscheidungen müssen dort stattfinden. Allerdings sollte auch dies nicht hinter verschlossenen Türen eines Zweckverbandes stattfinden.

Gibt es Unterstützung für Ihren Vorstoß bei den politisch Verantwortlichen?

Wir stehen am Beginn einer Diskussionsphase über eine Bürgerbeteiligung. Ich möchte den ersten Stein ins Wasser werfen und eine Debatte darüber anstoßen, bevor es zu spät ist. Erfolg wird dieses Ansinnen antürlich nur haben, wenn eine breite Unterstützung des Landkreises und des Kreistages vorhanden sind.