K(l)eine Hürden für eine neue Klinik auf dem Flugfeld?

Ministerin? Zumindest keine, die den Eindruck macht, dass sie Wert darauf legt, als Regierungsmitglied wahrgenommen zu werden. Ganz ohne Mitarbeiterstab und Begleiteraufmarsch, als ob sie vom Stadtbummel käme, spaziert Arbeits- und Sozialministerin Karin Altpeter im Rahmen ihres Kreisbesuches in den Treff am See zum Redaktionsgespräch.

BÖBLINGEN. Zwischen dem Antigewaltfilm, über den sie mit Schülern im Bärenkino diskutiert hat, und dem anstehenden Treff mit Schlecker- Mitarbeiterinnen ist eine Stunde Zeit für Themen, die eine Schnittstelle mit dem Arbeitsgebiet der SPD- Ministerin und dem Landkreis aufweisen.

Zahnlos?: Diese Frage muss zum Einstieg sein. Denn wenn’s um Entscheidungen in Sachen Arbeit und Soziales geht, dann ist in diesem Staat meist der Bund gefordert: Arbeitsministerin von der Leyen und der Bundestag sind die Ebenen, die das letzte Wort haben, die Politik wird in Berlin und nicht in Stuttgart gemacht. Ein Problem für die Ministerin? Einspruch und Widerspruch. „Ich habe das Ressort mit den meisten Inhalten“, kontert Karin Altpeter. Alles was im Leben geschehe, sei ihr Arbeitsgebiet, erläutert die 48- Jährige – von der Schwangerschaftskonfliktberatung bis zur Friedhofsordnung, vom Heimgesetz bis zum Projekt Gute Arbeit, von der Jugend bis zu den Senioren. „Alles Dinge, die die Bürger spüren“, betont Karin Altpeter.

Dass „vieles“ in ihrem Themengebiet vom Bund bestimmt werde, möchte die Ministerin gar nicht in Abrede stellen. Aber da gebe es ja noch den Bundesrat, der bei Gesetzen ein Mitspracherecht hat. Und dort ist Karin Altpeter vertreten. „Da kann ich auf Dinge aus meinen Arbeitsbereich einwirken“, sagt sie. Will heißen: Sozialpolitik in Berlin ist auch von Stuttgart aus möglich.

Bürgerbeteiligung: Damit die Bürger die Dinge, die in den Ministerbüros von Katrin Altpeter behandelt werden, nicht nur spüren, sondern auch selbst thematisieren können, habe ihr Ministerium zum Beispiel in jedem Landkreis Gesundheitskonferenzen installiert, erzählt sie. „Was sind die Themen vor Ort, horchen, wo’s klemmt“, ist die Absicht der Ministerin. Dass da die vielstrapazierte „Politik des Gehörtwerdens“ ihre Umsetzung finden soll, dieser Hinweis aus dem Munde der Ministerin darf natürlich nicht fehlen.

Wo steht der Landkreis Böblingen?: Der Landrat lässt keine Gelegenheit aus, seine Raumschaft als den am besten bestellten Landstrich im Ländle darzustellen. Stimmt’s? Zumindest, was ihr Einsatzgebiet betrifft, möchte Karin Altpeter da nicht widersprechen. „Der Landkreis Böblingen“, bekennt sie, „gehört zu den gut aufgestellten Kreisen in Sachen Jugend- und Sozialhilfe“. Die hohen Ausgaben in der Jugendhilfe und die Hilfsprogramme für junge Familien machten dies deutlich.

H&M und Breuninger: Marken, die es mit der Fairness im Umgang mit ihren Mitarbeiterinnen nicht immer so genau nehmen, findet auch die Ministerin und ist in dieser Sache mit ihrer CDU- Kollegin von der Leyen einig. Die hat die Arbeitsbedingungen bei diesen Unternehmen neulich angeprangert. „Wir müssen solche atypischen Beschäftigungsverhältnisse zurückdrängen“, fordert Karin Altpeter. Mehr als fordern und die Bundesarbeitsministerin auffordern, „den Worten Taten folgen zu lassen“, kann sie allerdings nicht. Denn Arbeitsgesetze sind Bundessache. Und sich mal für einen Besuch beim Management einladen, um die Kritik loszuwerden? „Ist geplant“, verspricht die Ministerin.

Geht man als Ministerin in den kritisierten Läden noch einkaufen? „Für H&M bin ich definitiv zu alt“, gesteht sie. Und Breuninger? Dort hat sich Karin Altpeter noch nie zur Kundschaft gezählt, verrät sie.

Krankenhauslandschaft im Kreis: Gibt’s Geld aus Stuttgart für ein neues Klinikum auf dem Flugfeld? Zum ersten mal ist die Antwort ein typischer Politikersatz: „Wenn sich der Klinikverbund Südwest auf Strukturen einigt, die unsere Förderkriterien erfüllen, dann kann ein Antrag gestellt werden.“ Dass dies die verklausulierte Forderung nach der Schließung eines Krankenhauses im Kreis beinhaltet, möchte Karin Altpeter so nicht gedeutet wissen. „Wir schließen keine Krankenhäuser“, betont sie, weist aber darauf hin, dass Kliniken mit 100 Betten nicht mehr wirtschaftlich seien. „Warum“, fragt sie, „schaffen wir stattdessen nicht ambulante Zentren vor Ort?“. Die wohnortnahe medizinische Versorgung sei ein erklärtes Ziel ihre Hauses, sagt die gelernte Krankenschwester. Wenn im Landkreis die Zeichen auf Klinikneubau stehen und die Voraussetzungen stimmen, dann möchte die Sozialministerin dem Projekt keine wirklichen Hürden in den Weg stellen: 70 bis 80 Prozent der förderfähigen Investitionskosten könnten dann von Stuttgart kommen, verspricht sie.

Womit die Sorgen im Krankenhausalltag für die Ministerin noch nicht gelöst sind. Denn da gibt es noch die Betriebskosten und die sind Bundessache. Dass Berlin von den finanziell gebeutelten Kliniken in diesem Jahr einen Sparbeitrag einfordert, möchte sie überhaupt nicht einsehen. Gut, dass es da das Einflussinstrument Bundesrat gibt. Das werde sie in dieser Sache nutzen, kündigt Karin Altpeter an.

Drogenmedizin: Der SOS- Ruf kam kürzlich aus Leonberg. Eine Arztpraxis, die bisher Drogenkranke mit Ersatzstoffen versorgt hat, macht dicht, die Behandlung Drogensüchtiger mit Methadon ist gefährdet. Ein Anlass für die Politik, sich einzumischen und diese schwierige Aufgabe von den Entscheidungen niedergelassener Ärzte unabhängig zu machen? „Wir brauchen in Zukunft hierfür spezielle Zentren“, befindet Karin Altpeter, denn ein solches Angebot sei unabdingbar. Der Vorschlag, diese Versorgung künftig im Leonberger Krankenhaus zu integrieren, hält sie für den richtigen Weg. „Das ist auch ein Standortkriterium“, sagt die Ministerin. Damit wäre die Leonberger Klinik ihrer Unverzichtbarkeit ein Stück weit näher gekommen.