Viele Aufgaben und Erfahrungen als Jungparlamentarier

Quelle: KRZ von Ina Kraft 02.01.2012

Jahresbilanz- Interview: Der SPD- Landtagsabgeordnete Florian Wahl blickt auf ein aufregendes Jahr zurück

Im Frühjahr zog Florian Wahl für viele überraschend in den Stuttgarter Landtag ein, inzwischen sitzt er in mehreren Ausschüssen, hat diverse Posten und ist im Politbetrieb angekommen. Keine Frage, hinter dem 27- Jährigen liegen aufregende Monate.

BÖBLINGEN. Der Terminkalender ist voll, Smartphone und iPad sind ständige Begleiter, das Smartphone meldet alle paar Minuten den Eingang einer E- Mail. Dennoch blickt Florian Wahl gelassen auf die Veränderungen in seinem Leben.

Im Frühjahr wurden Sie in den Landtag gewählt. Seither hat sich in Ihrem Leben sicher einiges verändert?

Klar, es sind viele neue Aufgaben für mich hinzugekommen, ich habe viele neue Erfahrungen gemacht und viele Menschen kennengelernt. Aber an meinem privaten Leben hat sich wenig verändert.


Ist die Arbeit im Landtag so, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Im Wesentlichen schon. Ich war ja bereits parlamentarischer Mitarbeiter und konnte mir den Betrieb vorher schon mal anschauen. Allerdings ist es natürlich etwas anderes, ob man als Zuschauer von der Tribüne in die Manege schaut oder ob man selbst in der Manege steht. Außerdem ist die SPD inzwischen in der Regierungsverantwortung, da ist das, was man gestalten und bewegen kann, substantieller und interessanter.


Was bedeutet das in Ihrem Fall?

Ich habe sofort viel Verantwortung in der Fraktion erhalten. Ich habe allein fünf Sprecherposten: ich bin Sprecher für Jugend, Bildung, Gesundheit, Verfassungsschutz und Eingliederung von Migranten. Das sind spannende Themenfelder, die zum Teil inhaltlich Hand in Hand gehen. Außerdem sitze ich im Medienrat der Landesanstalt für Kommunikation. Das sind alles Aufgaben, die Spaß machen, aber einen auch fordern.

Was haben Sie schon konkret getan?

Ein großer Teil meiner Zeit geht in die Gesundheitspolitik. Da sind wir gerade dran, den Investitionsstau der vorherigen Regierungen abzubauen. Von meinem Vorgänger Stefan Braun habe ich den Posten als Sprecher für Verfassungsschutz geerbt und sehe mich daher auch in der Pflicht, mich um das Thema Rechtsextremismus zu kümmern. Sie sehen, es sind also schon viele Aufgaben und ich muss immer wieder darauf achten, nicht den Überblick zu verlieren – vor allem als Neuer und Junger.


Gibt es auch Dinge im Politbetrieb, die Sie so nicht erwartet hätten?

Der Zeitmangel, ich bin viel unterwegs und muss an so vielen Stellen präsent sein. Ich bräuchte noch viel mehr Zeit im Büro. So verlagert sich die Arbeit oft bis spät in die Nacht.


Wo konnten Sie konkret etwas bewegen?

Bei der Darmsheimer Nordumfahrung, die nun doch weitergebaut wird. Die war von der schwarz- gelben Landesregierung nicht durchfinanziert und wir mussten schauen, wie wir das Geld auftreiben, damit es weitergehen kann. Es gab viele Gespräche mit dem Verkehrsminister und dem Ministerpräsidenten und den Verkehrspolitikern von Grün- Rot. Es war schon sehr verfahren. Man setzt sich für etwas ein, erst sieht es so aus, als ginge gar nichts, doch plötzlich geht eine Tür auf. Da habe ich zum ersten Mal gedacht: Du kannst wirklich etwas bewegen. Ach ja, jetzt ist mir noch was Negatives eingefallen: Ich habe zugenommen und mache zuwenig Sport.

Hinter der grün- roten Koalition liegen nicht ganz einfache sieben Monate. Vor allem Stuttgart 21 hat die Zusammenarbeit bisweilen schwierig gemacht. Bei unserem Gespräch im Frühjahr standen Sie dem Projekt kritisch gegenüber, letztlich waren Sie aber dafür. Woher der Sinneswandel?

Es gab nie einen Sinneswandel. Ich war in der Abwägung immer für das Projekt. Aber ich fand es nicht richtig, wie die CDU/FDP- Regierung mit den Protesten umgegangen ist – vor allem am 30. September 2010. Sinnvoll wäre gewesen, gleich nach der Schlichtung eine Volksbefragung zu durchzuführen. Das haben CDU und FDP aber verhindert. Grundsätzlich war und bin ich aber für das Projekt.

Warum?

Zu diesem späten Zeitpunkt wären die Ausstiegskosten zu hoch gewesen, das hätte uns den gesamten Landeshaushalt zerschossen und wir hätten zum Beispiel wieder anfangen müssen über Studiengebühren zu diskutieren. Außerdem halte ich die Anbindung des Flughafens an den Hauptbahnhof vom Konzept her für gut und ich bin der Meinung, dass Stuttgart städtebaulich von dem Projekt profitiert.

Und jetzt? Macht S 21 die Zusammenarbeit in der Koalition schwierig?

Der Eindruck ist sicher richtig, dass es Akteure gab, die aneinander geraten sind. Allerdings spielt das Thema auf der Arbeitsebene in den Ausschüssen keine Rolle. Jetzt gab es eine Entscheidung, jetzt wird gebaut.

Als Sie angetreten sind, haben Sie angekündigt, im Böblinger Gemeinderat und im Kreistag bleiben zu wollen. Funktioniert das?

Ja, im Großen und Ganzen geht das gut. Ab und zu gibt es Terminüberschneidungen, dann muss ich einen Vertreter in die Gremien schicken. Ich habe ein Mandat und ein Ehrenamt, andere arbeiten neben ihrer Gemeinderatsarbeit ja auch. Und mit der Zeit wird es sicher einfacher werden. Anfangs musste ich mich ja in alles erst einarbeiten. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich vor meiner ersten Rede im Parlament war und wieviel Vorbereitung das gebraucht hat.

Und inhaltlich? Manchmal stehen ja die Interessen und Wünsche des Kreises oder der Stadt denen der Landesregierung gegenüber? Stichwort Verkehr. In und um Böblingen wünschen sich viele Bürger vor allem den Ausbau von Straßen, Verkehrsminister Herrmann gilt ja nicht gerade als Autofreund. Gibt das Konflikte?

Sicher nicht, in vielen Punkten gehen Kreispolitik und Landespolitik Hand in Hand. Außerdem sind die ideologischen Vorbehalte gegenüber den Grünen bei der Verkehrspolitik nicht nachvollziehbar. Die haben genauso ein Interesse an einem vernünftigen Verkehrsnetz wie wir, aber wenn der Bund bestimmte Projekte nicht finanziert, können wir nichts machen. Ansonsten finde ich, machen wir viel für den Kreis. Wie bei der Darmsheimer Ortsumfahrung. Außerdem stellen wir den Kommunen in den kommenden Jahren viele Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau der U3- Betreuung zur Verfügung. Da profitieren auch die Städte und Gemeinden im Kreis. Außerdem lassen wir den Schulen vor Ort die Freiheit, die Schulmodelle zu entwickeln, die sie für sinnvoll halten.

Hier noch zwei Projekte, die für viele hier besonder wichtig sind. Stichwort B 464.

Die B 464 ist eine Bundesstraße, fällt also in die Zuständigkeit des Bundes. Da gibt es ein Straßenbauprogramm, das etwa eine Milliarde Euro umfasst, der Bund stellt aber nur etwa 145 Millionen zur Verfügung – für das ganze Land. Deshalb haben wir vereinbart, erst einmal alles das fertig zu bauen, das bereits angefangen wurde, bevor wir weitere Projekte angehen. Ich wünsche mir auch, dass das schneller geht, aber dazu muss der Bund mehr Geld rüber schieben.

A 81?

Wir sind uns einig, dass das eine Maßnahme ist, die ganz schnell kommen muss.

Als Sie angetreten sind, haben Sie angekündigt, einen anderen bürgernahen Stil zu pflegen. Wie sieht es damit aus?

Ich bemühe mich jeden Tag darum, habe unter anderem ein Büro vor Ort. Wer will kann da einfach reingehen – und das machen auch viel mehr Menschen als ich dachte. Da kommen Leute, die lassen sich Sachen erklären oder stellen Fragen. Mal war zum Beispiel jemand da, der wollte den Koalitionsvertrag sehen. Andere haben ein Anliegen oder benötigen Hilfe. Ansonsten habe ich im kommenden Jahr in diesem Bereich noch etwas vor, aber das verrate ich noch nicht. Mir ist auf jeden Fall wichtig, dass die Leute sehen, dass Politik nicht Glamour ist und ich ein normaler Mensch bin, den man ansprechen kann.

Was wünschen Sie sich für 2012?

Dass es mir gelingt, einen guten Job zu machen, dass ich erreichen kann, was ich mir vorgenommen haben. Und dass ich dieses Jahr einmal ein freies Wochenende finde, an dem in Skifahren gehen kann.