„Wo haben wir tauglichen Immobilienbesitz?“

Quelle: KRZ von Otto Kühnle 14.02.2012

Die Zukunft des Polizeistandorts Böblingen: Innenminister Reinhold Gall beim Redaktionsgespräch in der KREISZEITUNG

Auch wenn er konkret zu Standorten keine Aussagen machte, ließ Innenminister Reinhold Gall doch anklingen, dass der Kreis Böblingen bei der Polizeireform keine allzu schlechten Karten hat. Im Grundsatz wich er aber kein Jota von der geplanten Reduzierung der Direktionen ab.

BÖBLINGEN. Am Morgen hatte der SPD- Innenminister der grün- roten Landesregierung dem erweiterten Führungszirkel der Polizeidirektion Böblingen Rede und Antwort gestanden. So wie er dies gerade landauf, landab tut. „Die Politik des Gehörtwerdens gilt auch für die Innenverwaltung vor Ort“, signalisierte der oberste Chef der Polizisten, dass er die Argumente gerne aufnimmt. „Die Richtung stimmt“, habe er dabei ebenso häufig gehört wie die Einschätzung, dass es Optimierungsbedarf gebe, dass die Polizei für die Zukunft fit gemacht werden müsse. Die Reform sei kein Selbstzweck, sei zudem von der Polizei erarbeitet. „Ich mache mir das zu Eigen, weil ich sie für gescheit halte“, wehrt sich der Unterländer dagegen, dass er der Polizei seinen Stempel aufdrücken wolle. „Das ist nicht meine Polizei“, erinnert er an die Klagen über zu wenig Präsenz und zu wenig Personal. Und „Ganoven halten sich nicht an Verwaltungsgrenzen“, spielt er auf neue Formen wie Cyber- Kriminalität an.

Dass künftig neun Präsidien in der Fläche und drei für Einsatz, Technik und Bildung bei der Bereitschaftspolizei entstehen sollen, sei kein Zufall, sondern eine „ideale Größe“, die den Fehler zu großer Einheiten wie in Bayern vermeide. Aber eben auch für mehr Personal sorge, das vor Ort eingesetzt werden könne: „Jedes Präsidium mehr bedeutet 80 Leute weniger in der Fläche.“ Dass bei rund 900 Beamten, die auf die Reviere verteilt werden können, gerade mal einer pro Revier herausspringt, kontert Gall mit einer eigenen Rechnung. „Wenn fünf Leute eine Schicht bilden, können zwei Streifenwagen mit zwei Mann rausfahren. Fehlt da einer, bleibt nur ein Streifenwagen übrig. Ein Mann mehr bedeutet also einen Streifenwagen mehr.“

Dass die Polizisten tatsächlich auch vor Ort ankommen, erleichtere die hohe Zahl von 30 bis 40 Prozent der Beamten, die in den nächsten Jahren in Pension gehen. Der Nachwuchs könne dann mit den ersten jungen Polizisten aus dem Ausbildungsprogramm mit 800 Stellen draußen eingesetzt werden. Denn bereits heute lägen die Reviere in der Besetzung zehn bis 20 Prozent unter dem Soll. Was auch daran liege, dass Polizistinnen zwar nach der Babypause schnell in den Job zurückkehren, aber häufig auch Teilzeit arbeiten wollten. Das „hohe Maß an Identifikation“ schätzt Gall, doch werde es dadurch auch schwieriger, den Dienstplan zu gestalten. Dennoch setzt der Innenminister auf eine hohe Frauenquote, wie er auch Migranten besser fördern will.

Was aber wird aus den beiden Standorten in Böblingen, der Bereitschaftspolizei und der Polizeidirektion Böblingen? Hatte doch Florian Wahl (SPD) noch kürzlich vollmundig vermeldet, der Bepo- Standort sei gesichert. Was die CDU- Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz am Freitag ins Reich der Fabel verbannte. Tatsächlich ließ sich Gall auch im Beisein seines Parteifreundes und Landtagsabgeordneten Wahl nicht zu einer klaren Aussage hinreißen. Das Einsatzpräsidium müsse da sein, „wo die Schwerpunkte der Einsätze sind“. Biberach und Bruchsal seien da relativ weit weg, konzedierte Gall immerhin. In Sachen Regionalpräsidien gelte es auch zu schauen, „wo haben wir tauglichen Immobilienbesitz?“ Und natürlich auch, welche Gebäude man gut verkaufen könne, da „sind viele in Top- Lagen“. Ohnehin bedeuteten die neuen Präsidien mit 1500 Beschäftigten ja nicht, dass diese alle an einem Standort unterkommen müssen. „Da kann der Verkehrsbereich da angesiedelt werden, wo besonders viel Verkehr ist“, kündigte er vieldeutig an. Auch die Belastung mit Kriminalität werde berücksichtigt. Dass bei der Zuordnung womöglich auch die Grenzen der Regierungsbezirke gesprengt werden könnten, wollte Gall nicht ausschließen, wenn sich die Menschen beruflich und in der Freizeit entsprechend orientieren, wie es zum Beispiel mit den Städten Nagold und Calw der Fall ist. Die Polizei könne jetzt hineinwachsen, „vieles wird sich leicht lösen lassen“, ist Gall überzeugt, dass die Umsetzung 2013 beginnen kann, wenn die Orte bis Ostern festgezurrt werden. Dass dann noch jeder Landrat „sein“ Präsidium haben wird, hält er aber für ausgeschlossen. Da erwarte er Sachlichkeit und Objektivität: „Die Landräte sollten das mit dem selben Maßstab wie ihre eigenen Reformen betrachten.“

Auch legaler Waffenbesitz wird unter die Lupe genommen

Wenn der Innenminister auf den Rechtsextremismus angesprochen wird, zuckt er bei dem Kürzel NSU immer noch zusammen. Schließlich stehen die drei Buchstaben für den Neckarsulmer für weit positivere Dinge als ein rechtes Terrortrio. Doch habe er sich nach der Übernahme des Ministeramtes Verfassungsschutz und Landeskriminalamt ganz genau angeschaut. Und da sei er zu der Erkenntnis gekommen, dass „die bisher auf dem rechten Auge nicht blind gewesen sind“. Auch wenn zuletzt der Islamismus verstärkt im Fokus gewesen sei. Doch habe man erfolgreich präventiv gearbeitet, Aussteigern Chancen eröffnet und potenziell gefährliche Personen direkt angesprochen. „Wir kennen die Herrschaften weitgehend“, ist sich Gall sicher, will aber nicht ausschließen, dass auch in Baden- Württemberg Gewalttäter untertauchen könnten.

„Besonnen reagieren, nicht gleich aufs Gas treten“, ist auch die Devise des Rechtsextremismusexperten Wahl. Der MdL aus Böblingen setzt zwar auf das Verbot der NPD, um die Partei als finanziellen Durchlauferhitzer lahm zu legen, doch „dies löst das Problem nicht“. Dennoch will die Landesregierung Flagge zeigen. Zum Beispiel mit der Überprüfung legalen Waffenbesitzes bei einschlägig Bekannten. „Das wird nicht ganz einfach“, doch auch die Zahl der Skinhead- Konzerte habe man ja durch polizeiliche Aktivitäten „dramatisch reduziert“.