Versorgungslücke mit Kinder- und Jugendpsychiater*innen nimmt im Landkreis Böblingen katastrophale Dimensionen an

Florian Wahl: „Nur in zwei von 26 Gemeinden im Landkreis Böblingen können Kinder und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen ambulant behandelt werden. Ich fordere die Landesregierung zum sofortigen Handeln auf“

Dass die ambulante Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher im Landkreis Böblingen katastrophal ist, zeigt sich unter anderem daran, dass derzeit nur in zwei von 26 Gemeinden ein*e Kinder- und Jugendpsychiater*in niedergelassen ist. Der Versorgungsgrad liegt demnach bei 50,9 Prozent, es herrscht also nahezu eine Unterversorgung bei gleichzeitig hohem Bedarf.

Wahl kommentiert die besorgniserregenden Zahlen aus dem Antwortschreiben des Ministeriums auf seine Kleine Anfrage wie folgt: „Der Landkreis Böblingen ist nur wenige Schritte davon entfernt, zu einem unterversorgten Gebiet in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung zu werden. Ich bin fassungslos, dass Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen nur in Bondorf und Herrenberg ambulant behandelt werden können. Wenn dann auch noch in naher Zukunft die wenigen Kinder- und Jugendpsychiater*innen altersbedingt in den Ruhestand gehen, droht ein Versorgungsnotstand bei uns. Minister Lucha muss sofort handeln, damit die mentale Gesundheit von Kinder und Jugendlichen nicht gefährdet ist“.

Das Ministerium räumte weiter ein, dass die Anzahl an Kinder- und Jugendpsychiater*innen in der Raumordnungsregion Stuttgart, die den Landkreis Böblingen umfasst, in den letzten fünf Jahren grundsätzlich stabil geblieben sind.  Jedoch bildet die Gemeinde Weil der Stadt eine Ausnahme, wo seit Januar 2021 keine Kinder- und Jugendpsychiater*in mehr tätig ist. Zudem ist die Anzahl der offenen Kinder- und Jugendpsychiatersitze von 16 (2019) auf 18,5 im Jahr 2023 gestiegen.

Die Altersstruktur der 19 niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater*innen der Region Stuttgart wird wie folgt dargelegt: unter 50 (6), 50-59 (7), 60 und älter (6).

Kooperative Praxisformen (Berufsausübungsgemeinschaften, Praxisgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren) sind neben Einzelpraxen ein wichtiger Grundpfeiler der ambulanten medizinischen Versorgung. Das Ministerium berichtete, dass es im Landkreis Böblingen derzeit 2 Einzelpraxen (2019: 3), keine (überörtliche) Berufsausübungsgemeinschaften und keine Medizinische Versorgungszentren gibt.

Florian Wahl, der der Taskforce Ärzteversorgung von der Stadt Böblingen angehört, ergänzt weiter: „Für viele Kinder und Jugendliche bedeuteten die Corona-Pandemie und der Lockdown den Verlust von Tagesstruktur und den Einbruch sozialer Kontakte. Die negativen Folgen wirken sich bis heute auf ihre psychische Gesundheit aus. Daher halte ich die Untätigkeit der Landesregierung zur Sicherstellung einer flächendeckenden ambulanten Kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung für absolut unverantwortlich“.