Viele Kinderärzt*innen arbeiten über Belastungsgrenzen hinaus

Florian Wahl: „Die Kassenärztliche Vereinigung muss etwas unternehmen, damit Kinder gerade in diesen herausfordernden Zeiten ausreichend versorgt sind.“

 

In der Antwort zu einer kleinen Anfrage, die der Böblinger SPD-Landtagsabgeordnete zur Kindergesundheit und Versorgung mit Kinderärzt*innen im Kreis Böblingen gestellt hatte, werden Mängel in der Versorgung des Nachwuchses sichtbar. Während rein rechnerisch die Quote des Landes durch die Bedarfsplanungsrichtlinie gem. §12 Abs 3 gesichert ist, sind diese häufiger in Mittelzentren angesiedelt. „Vermutlich wird eine Zentralisierung der ambulanten Niederlassungen von Kinderärzt*innen zunehmen“, so der Böblinger SPD-Abgeordnete. Dies ist deshalb problematisch, da vor allem im ländlichen Raum die Wege, vor allem bei Notfällen, für Eltern sehr lange sein können. Diese Differenz ist im Landkreis Böblingen teils eklatant, da sich Ärzt*innen häufig in Mittelzentren ansiedeln – was den Eltern, die weiter außerhalb wohnen, natürlich wenig hilft. „Die Kassenärztliche Vereinigung muss bei der Verteilung der Zulassungen stärker auf eine regionale Ausgewogenheit achten“, fordert der Abgeordnete. Auch wenn der kinderärztliche Versorgungsgrad rein rechnerisch nach der Bedarfsplanung bei 110,1% liegt, ist ein großer Teil des Problems, dass es viele Versorgungsengpässe gibt, die eigentlich auch nicht-ärztliche Gesundheitsberufe oder soziale Beratungsstellen übernehmen könnten. Hier sind vor allem Gespräche mit Logopäd*innen, Physiotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen oder sozialpsychologischen Beratungsstellen und daran möglicherweise anschließende Therapien gemeint.

„Hinzu kommt nun auch noch, dass Kinder inzwischen weitaus häufiger als noch im Jahr 2018 Behandlungsbedarf wegen Entwicklungsstörungen haben – in gerade einmal zwei Jahren sind die Zahlen um über 8% gestiegen, was unter anderem mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zusammenhängen dürfte“, so der Böblinger SPD Landtagsabgeordnete.

Kinder und Jugendliche brauchen schnell greifbare Unterstützung. In diesem Bereich gibt es bereits massive personelle Defizite. Im Jahr 2022 gab es im ganzen Kreis nur 19 niedergelassene Kinder- und Jugendpsycholog*innen und gerade einmal 2 Kinder- und Jugendpsychiater*innen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Wie es in der Antwort auf die kleine Anfrage heißt, hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) bereits viele Maßnahmen ergriffen, um diesen Problemen zu begegnen. „Bislang sei in Baden-Württemberg in keiner Arztgruppe und in keinem Planungsbereich eine Unterversorgung festgestellt worden. Trotz eventuell gestiegener Bedarfe im Bereich der Therapieplätze und Therapiemöglichkeiten (auch aufgrund der Pandemiejahre) könne die KVBW auch zukünftig nur die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bzw. Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten fair und flächendeckend verteilen, die zur Verfügung stehen.“ So steht es in der Antwort auf die kleine Anfrage. Allerdings, so räumt das Sozialministerium ein, habe die KVBW aufgrund des Versorgungsgrades bereits mehrere Förderplätze im Rahmen ihres Förderprogramms „Ziel und Zukunft“ ausgewiesen, um die Anstellung und Niederlassung von weiteren Kinder- und Jugendpsychiater*innen zu unterstützen. „Das ist ein Alarmsignal. Das Förderprogramm kommt zum Tragen, weil ansonsten eine Unterversorgung droht“, stellt Wahl fest. Und der Bedarf an Therapieplätzen für Kinder und Jugendliche wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, davon geht inzwischen sogar die Kassenärztliche Vereinigung aus. „Die Kassenärztliche Vereinigung muss dringend weitere Maßnahmen ergreifen, damit Kinder und Jugendliche in diesen Zeiten ausreichend ärztlich und therapeutisch versorgt werden“, so Wahl.