Zum ersten Mal bin ich richtig froh, dass wir in der NATO sind

Persönliche Gedanken zur Sicherheitspolitik.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine treibt mich Vieles um. Unter anderem mach ich mir viele Gedanken über meine eigenen sicherheitspolitischen Überzeugungen.

Da ich mir gut vorstellen kann, dass es manchen von Euch auch so geht, will ich ein paar dieser Gedanken hier teilen.

Ich habe mich mit Waffen, Armee und allem Militärischen immer sehr schwer getan.

Ich habe immer rational verstanden, warum es Landesverteidigung braucht oder weshalb es den Wehrdienst gab, aber so richtig identifizieren konnte ich persönlich mich damit nie. Rational als notwendig empfunden, emotional war es nicht nur fremd, sondern ich habe es ganz ehrlich innerlich auch abgelehnt.

Ich war immer konsequent gegen Waffenlieferungen und hab mich selbst dann, wenn ich eine Entscheidung zu Waffenexporten nachvollziehen konnte, nie wohl damit gefühlt.

Auch die deutsche Rüstungsindustrie als einen Wirtschaftszweig unter anderen zu sehen, oder gar für die Arbeitsplätze in diesem Bereich zu argumentieren, lag mir fern und tut es auch heute noch.

Auch für die NATO hatte ich nie große Sympathie, obwohl oder vielleicht auch teilweise weil ich mich zum ersten Mal bereits im mündlichen Abi mit dem NATO-Doppelbeschlusses beschäftigt habe. Die NATO war für mich ein Relikt der Vergangenheit. Ich war der Meinung, dass wir sie heute – nach dem Kalten Krieg – nicht mehr ernsthaft brauchen. Das 2%-Ziel fand ich immer übertrieben.

Das ganze Thema Aufrüstung und ehrlich gesagt auch Ausrüstung der Bundeswehr war mir fremd. Ich weiß nicht, ob es nur mir so ging, aber irgendwie hielt ich eine schwache Bundeswehr – zumindest zum Zweck der Landesverteidigung – für einen zivilisatorischen Fortschritt. Ich war der Meinung, dass eine Gesellschaft, die sich nicht um ihr Militär kümmert, eigentlich eine ganz aufgeklärte, eine zivilere sei. Ich empfand eine Gesellschaft, der es wohl nicht so wichtig war, ob ihre Panzer fahren können und die Gewehre gerade schießen können, als ziemlich friedliebend. Rational war immer klar, dass das so nicht sein soll. Emotional habe ich diese mangelnde Prioritätensetzung von Herzen geteilt.

Und jetzt?

Jetzt ist das passiert, was ich nicht für möglich halten wollte: Russland bombardiert im großen Stil ein souveränes Nachbarland, tötet wahllos Menschen und schert sich kein bisschen um das Völkerrecht und internationale Abmachungen.

Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich richtig froh, dass wir in der NATO sind. Irritiert über die krass andere Bewertung meinerseits als noch vor zwei Monaten, aber von Herzen froh.

Die Idee einer gut aufgestellten Bundeswehr wirkt plötzlich reizvoll, notwendig, ja alternativlos.

Den Richtungswechsel der Bundesregierung kann ich in diesem Kontext gut verstehen. Auch wenn es mir nicht leichtfällt. Ich bin überzeugt, dass es absolut richtig ist. Vor einigen Monaten hätte ich das alles jedoch noch für vollkommen übertrieben gehalten.

Vielleicht war ich zu gutgläubig, zu optimistisch. Ich weiß es nicht.

Auf jeden Fall haben die letzten Tage und mittlerweile Wochen etwas in mir angestoßen und an so manchen Überzeugungen gerüttelt.

Und vielleicht geht es einigen von euch ja auch so. Ich bin überzeugt, dass mich diese Fragen auch in den kommenden Monaten noch umtreiben werden.

Auf jeden Fall bin ich froh, dass in der Regierung Leute sitzen, die das nicht machen, weil sie es schon immer machen wollten. Ganz im Gegenteil. Sondern weil sie davon überzeugt sind, dass es nach Putins Überfall auf die Ukraine notwendig ist.

Das sind Frauen und Männer, die den Prozess zur Stärkung der Bundeswehr und einer Neuausrichtung deutscher Sicherheitspolitik auch mit einem kritischen Blick begleiten werden – dieses Korrektiv ist momentan richtig und wichtig.